
Für die Saison 2025 hatte ich mir das klare Ziel gesetzt, meinen Titel als NHC-Champion 2024 erfolgreich zu verteidigen. Das Grundlagentraining im Winter, bestehend aus einem 3-wöchigen Trainingscamp an der Pazifikküste Costa Ricas in den Weihnachtsferien und der darauffolgenden Teilnahme an diversen Skimarathons (leider nicht Teil der NHC-Wettkampfserie), verlief weitestgehend komplikationsfrei und die Form entwickelte sich im Vergleich zu den Vorjahren durchaus vielversprechend. Lediglich der sog. Inlandsflug in Costa Rica war etwas abenteuerlich, als sich herausstellte, dass es sich bei der Transportmaschine um eine Cessna-Heuschrecke für maximal 10 Passagiere handelte. In Windeseile musste das Bike aus der Verpackung entnommen, in Einzelteile zerlegt transportiert und der Sitz von der Einstiegsluke aus ohne jegliche Hilfsmittel erklommen werden.Nach dem krönenden Abschluss der Wintersaison am 16.3. beim berühmten Birkebeinerrennet in Norwegen folgte eine kurze Aufbauphase, ehe es dann am 1.5. mit der ADAC Velotour Eschborn-Frankfurt endlich losging. Wie immer war die Veranstaltung von den Startvorbereitungen bis zur Siegerehrung von Wolfgang perfekt durchorganisiert und das Handbikerennen nahtlos integriert in das geschichtsträchtige, früher als Rund-um-den-Henninger-Turm deutschlandweit bekannte, Radrennen. Anfangs war es nicht immer ganz ungefährlich, im Pulk der Rennradler durch die Häuserschluchten der Frankfurter Skyline zu navigieren, aber als die Strecke hinausführte in den Vordertaunus, wurde es etwas entspannter und es ergab sich die eine oder andere Gelegenheit für eine Attacke in dem durchaus kupierten Gelände. Eine davon konnte ich sogar nutzen, um mich von meiner Gruppe, bestehend aus Bernd, Jürgen, Thorben, Jörg und mir vorübergehend abzusetzen. Vico und Konstantin waren dem Rest des Feldes schon vom Start weg enteilt. Ich hatte ein gutes Fahrgefühl auf meinem Oldtimer (Bj. 2008), aber meine Verfolger, angeführt vom unermüdlichen Arbeiter Bernd, leisteten Maßarbeit und stellten mich wenige Kilometer vor dem Ziel. Bei der Einfahrt in den letzten Kreisel vor dem Ziel wurde es etwas eng, so dass ich es vorzog, eine kleine Ehrenrunde um den Kreisel herum zu drehen, um einen allfälligen Crash zu vermeiden. Deshalb konnte ich in den Zielsprint leider nicht mehr eingreifen und musste Jörg, meinem härtesten Konkurrenten im Kampf um die Gesamtwertung, den Tagessieg in der Klasse H4 überlassen. Gesamtschnellster war Vico, der schon deutlich früher als Erster die Ziellinie passierte. Nächste Station war das Kriterium in Ettenkirch im Rahmen der inklusiven Sportveranstaltung Rad & Roll. Leider waren der charmanten Einladung von Jana nur eine überschaubare Anzahl von 10 HandbikerInnen gefolgt, es entwickelte sich dennoch ein durchaus interessanter Rennverlauf. Max, Konstantin und ich, diesmal mit meiner auf den letzten Stand der Technik gebrachten Rennmaschine (Bj. 2012), konnten uns von Beginn an vom Rest des Feldes absetzen. Auf dem knapp 2 km langen Rundkurs gab es eine spitzwinklige Kurve, in der sich bedingt durch die suboptimale Kurvenlage meines Bikes – oder lag es an meiner ausbaufähigen Kurventechnik?? – regelmäßig eine Lücke zu Max und Konstantin öffnete, die ich zwar ebenso regelmäßig schließen konnte, mir aber jegliche Art der aktiven Renngestaltung unmöglich machte. Nach ca. 2/3 der Renndistanz geriet mir schließlich ein Teil meines Helms zwischen die Speichen meines Hinterrades, das Rad blockierte, was wiederum zu einem Reifenplatzer führte. Der Spezialist fürs Löcherzufahren, Bernd, witterte seine Chance und konnte mich in Zusammenarbeit mit Jörg in der vorletzten Runde überholen. Ich konnte mich zwar noch im Windschatten anhängen, den Sieg in der Klasse H4 einschließlich des heiß begehrten Siegpreises in Form einer Kiste frisch gereifter, rotbäckiger Bodenseeäpfel musste ich allerdings abermals Jörg überlassen. Der Gesamtsieg ging diesmal an Max. Jörg hatte die große Chance, in der NHC-Gesamtwertung bereits in Stuttgart für eine Vorentscheidung zu sorgen, verstreichen lassen, er hatte die Teilnahme am gefürchteten 180km-Rennen rund um den Genfer See, an dem ich in meiner Blütezeit vor 21 Jahren auch einmal, wenn auch mit mäßigem Erfolg, teilgenommen hatte, vorgezogen. So konnte ich als Topfavorit in der Klasse H4 ins Rennen gehen und dieser Rolle mit meinem ersten Saisonsieg und der Übernahme des Gelben Trikots in meiner Wertungsklasse vollumfänglich gerecht werden. Den beiden deutschen Medaillenhoffnungen JoJo und Daniel, die mit breiter Brust und guten Ergebnissen von den Weltcups zurückgekehrt waren, konnte ich zwar nicht folgen, aber Konstantin, der allerdings nicht seinen allerbesten Tag erwischt hatte, konnte ich erstmals in meiner Karriere überraschend schlagen. Dabei kam es kurz vor dem Ziel zu einem kuriosen Zwischenfall, als beim Überfahren einer quer über die Strecke verlaufenden Kabelabdeckung meine beiden Füße aus den Fußrasten sprangen. So konnte ich die letzten paar Meter unter Zuhilfenahme meiner unteren Extremitäten einen unwiderstehlichen Schlusssprint auf den Asphalt zaubern und 3 Sekunden Vorsprung auf Konstantin über die Ziellinie retten. Ob diese Art der Fortbewegung einer eingehenden Untersuchung seitens der UCI hinsichtlich Regelkonformität standhält, bleibt abzuwarten. Nach der Sommerpause ging es weiter mit dem traditionsreichen Marathon durch das liebliche Wisenttal in der Fränkischen Schweiz, den ich mir als Saisonhöhepunkt auserkoren hatte. Meine Leistungswerte hatten sich die letzten Wochen sehr positiv entwickelt und ich ging mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen an den Start. Etwas zu viel des Guten möglicherweise, denn nach einigen Kilometern Vorausfahrt im Wind startete der frischgebackene Handbike-Rentner Vico eine Attacke, der nur Daniel folgen konnte. In der Verfolgergruppe stiftete ich kurz Verwirrung, als sich der erst kurz zuvor bei Temu für 5 EUR erstandene Vollvisierhelm von meinem Haupt löste und auf Nimmerwiedersehen am Streckenrand verschwand. Erfreulicherweise konnte mit Anne sich eine Quotenfrau in dieser Gruppe halten, die meinen Abstandshalter einem Dauerstresstest unterzog, welchen letzterer mit Bravour bestand, bis ich schließlich an der gefürchteten Mauer von Ebermannstadt mein günstiges Leistungs-/Gewichtsverhältnis erfolgreich zu einer Attacke nutzte. Mein Fokus auf race winning intervals in den letzten 2 Trainingswochen zuvor hatte sich hier voll ausgezahlt, schön, wenn man es im Wettkampf dann genau so umsetzen kann. Vor der Wende an der Behringer Mühle kamen mir Vico und Daniel mit einem Vorsprung von 3 Minuten entgegen, mein Vorsprung gegenüber den Verfolgern sah aber durchaus beruhigend aus. Ich wollte nichts anbrennen lassen und fuhr das Rennen hart an der anaeroben Schwelle weiter, bis ich zu meiner Überraschung 2km vor dem Ziel Vico und Daniel, die, wie von beiden getrennt voneinander nach dem Rennen bestätigt, nicht allzu harmonisch kooperiert hatten, wieder in Sichtweite hatte. Angesichts des moderaten Tempos der beiden konnte ich mich zügig nähern und nachdem die Kooperation der beiden Kontrahenten eskalierte und kurz vor dem Ziel in einen Beinahe-Crash mündete, der Daniel fast zum Stehen brachte, zog ich an letzterem vorbei und verfehlte letztlich nur um zwei Bikelängen einen Sensationssieg. Schlag auf Schlag ging es voran in der Herbstsaison, schon am nächsten Wochenende stand der ebm-papst Marathon in Niedernhall auf dem Programm. Ein erstes Highlight war bereits am Vorabend die Einkehr in das inklusive Gourmetrestaurant handicap im benachbarten Künzelsau, betrieben vom allgegenwärtigen Imperium des Vorzeigeunternehmers und Schraubenkönigs Würth. Großartig, wie Mitarbeiter mit und ohne Handicap hier ihren Beitrag zu einem kulinarischen Erlebnis der Extraklasse leisten. Nach der guten Performance am Wochenende zuvor hatte ich mir Chancen ausgerechnet, an der Steigung kurz nach dem Start diesmal an den Schnellsten dranzubleiben. Aber ich ließ mich leider von Daniel einlullen, der sich etwas hinter Jojo und Konstantin zurückfallen ließ, um dann mit einer knallharten Attacke den Rest des Feldes hinter sich zu lassen. So bildete sich wieder eine Verfolgergruppe mit den üblichen Verdächtigen einschließlich Quotenfrau. Nach der letzten Wende zog Konstantin, der das Tempo der beiden deutschen Medaillenhoffnungen nicht lange halten konnte und zeitig von uns aufgesammelt wurde, das Tempo an, ich konnte aber als einziger der Gruppe die Lücke schließen und sogar erfolgreich kontern. Allerdings waren es noch gut 12km bis ins Ziel, ich konnte die Gruppe aber unter maximaler Ausbelastung auf Distanz halten und einen knappen Vorsprung von 7 Sekunden ins Ziel retten. Der Abstand auf Jojo und Daniel, die perfekt harmonierten, war mit 6:40 Minuten allerdings gewaltig und holte mich doch wieder etwas auf den Boden der Tatsachen zurück. Alles in allem lief es nicht mehr ganz so geschmeidig wie in der Fränkischen Schweiz, was aber im Umkehrschluss bedeutet, dass meine Saisonplanung mit Höhepunkt zum FS-Marathon dieses Jahr exakt aufgegangen ist. Kleine Randnotiz: es war und blieb der einzige 100% komplikationsfreie NHC-Wettkampf für mich in der laufenden Saison. Diese Quote gilt es in der kommenden Saison signifikant nach oben zu schrauben. Der Abschluss der NHC- und meiner persönlichen Trainingssaison fiel dieses Jahr in Gestalt des Ulm-Marathons exakt aufs selbe Datum. Nach einer Woche konzentrierten Abtrainierens galt es, den Gesamtsieg in meiner Wertungsklasse bereits in der Tasche, die Motivation noch ein letztes Mal hochzufahren. Da passte es ins Konzept, dass die Belastung aufgrund der höhenmeterarmen Halbmarathondistanz im Rahmen des Erträglichen blieb. Unsere beiden Medaillenhoffnungen Daniel, der noch eine Woche zuvor beim Berlin-Marathon als erst zweiter Handbiker überhaupt die magische 1:00:00-Marke geknackt hatte, und Jojo machten auch diesmal vom Start weg gehörig Druck und ich hatte alle Hände voll zu tun, Max, Harald und Konstantin, die das Tempo kurzfristig mitgehen konnten, wieder einzufangen. An der ersten Wende kurz hinter Burlafingen gab es einige Verwirrung wegen der Streckenführung, die ich für eine Attacke nutzen wollte, diesmal allerdings erfolglos. Meine Formkurve hatte sich seit meinem Saisonhöhepunkt doch schon spürbar gen Süden bewegt. Nichtsdestotrotz versuchte ich nach der letzten Wende eine weitere Attacke, der nur Max und Konstantin folgen konnten. Allerdings waren es von dort noch knapp 2km bis ins Ziel, so dass sich die beiden deutlich sprintstärkeren Verfolger kurz vor der letzten Kurve an mir vorbeischieben und vor mir in den Zielanstieg einfahren konnten. Leider hatte ich in der Kurve ordentlich Schwung verloren und nicht den richtigen Gang eingelegt, so dass ich nicht mehr genügend Drehmoment auf die Kurbel brachte, um Max noch einzuholen. Er konnte letztlich eine halbe Radlänge Vorsprung behaupten, wohingegen der gegenüber den letzten Rennen stark verbesserte Konstantin mit seiner brachialen Maximalkraft außer Reichweite blieb. Leider war schon am Abend zuvor mein Zeitmesschip auf rätselhafte Weise unwiederbringlich verschwunden, doch das aufmerksame NHC-Rennkommittee hatte den Rennausgang glücklicherweise korrekt und zweifelsfrei dokumentiert. Der Tagessieg ging auch diesmal wieder an Jojo. Abgerundet wurde die Veranstaltung und auch die gesamte Saison traditionell in familiärer Atmosphäre beim Abschlussessen im italienisierten Ratskeller von Ulm. Besonderes Highlight war hier die feierliche Übergabe der schicken Gesamtsieger-Trikots im neuen hellblauen NHC-Design. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle von meiner Seite an alle Sponsoren, Organisatoren und sonstige Mitwirkende dieser tollen Rennserie. Ich freue mich schon aufs nächste Jahr!
